Stell dir vor, du stehst unter einem Nachthimmel, der so klar ist, dass die Milchstraße wie ein funkelnder Fluss über dir leuchtet.
Ein Anblick, der einst unsere Vorfahren mit Staunen erfüllte und Geschichten von Göttern und Träumen inspirierte.
Doch heute? Für die meisten von uns ist dieser Sternenhimmel nur noch eine verblasste Erinnerung, verschluckt von einem künstlichen Licht, das die Nacht ertränkt.
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Lichtverschmutzung hat sich still und heimlich zu einem globalen Riesen entwickelt – ein Problem, das nicht nur deinen Blick auf die Sterne raubt, sondern auch Mensch und Natur tief trifft.
Über 80 % der Weltbevölkerung und fast 100 % der Europäer leben unter einem Himmel, der von grellem Kunstlicht verschleiert wird.
In nur vier Jahren, zwischen 2012 und 2016, wuchs die beleuchtete Fläche unseres Planeten um erstaunliche 9,1 %. Wo früher Tausende Sterne funkelten, siehst du in der Stadt jetzt oft nur noch eine Handvoll blasser Punkte.
Doch es geht um mehr als verlorene Schönheit. Jede Sommernacht sterben in Deutschland über eine Milliarde Insekten an Straßenlaternen – ein leises Drama, das unsere Ökosysteme erschüttert.
Und auch dein Schlaf, deine Gesundheit leiden unter diesem unnatürlichen Glanz, der den Rhythmus von Tag und Nacht verwirrt.
Übersicht
Die Entwicklung der Lichtverschmutzung
Die nächtliche Beleuchtung hat seit dem 19. Jahrhundert eine dramatische Entwicklung durchlaufen. Was einst mit spärlichen Gaslaternen begann, hat sich zu einem globalen Phänomen entwickelt, das unseren Nachthimmel grundlegend verändert.
Von der Gaslaterne zur LED
Die ersten Gaslaternen wurden 1826 in Berlin installiert und revolutionierten das städtische Leben. Mit der Einführung der Elektrizität Ende des 19. Jahrhunderts begann eine neue Ära der Straßenbeleuchtung. Die elektrischen Laternen waren deutlich heller und zuverlässiger als ihre gasgetriebenen Vorgänger. In den 1970er Jahren wurden Quecksilberdampf- und später Natriumdampflampen weitverbreitet eingesetzt.
Allerdings zogen besonders Quecksilberdampflampen durch ihre Wellenlänge Insekten massenhaft an. Seit 2009 hält die LED-Technologie Einzug in die Straßenbeleuchtung und ersetzt zunehmend ältere Technologien.
Aktuelle Daten zur Lichtverschmutzung in Deutschland
Heutzutage nimmt die Lichtverschmutzung in Deutschland jährlich um etwa sechs Prozent zu. Besonders alarmierend ist, dass einige Bundesländer sogar um drei bis vier Prozent pro Jahr heller werden. Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2023 zeigt jedoch, dass die tatsächliche Zunahme viel dramatischer ist als bisher angenommen: In Europa steigt die Helligkeit des Nachthimmels um 6,5 Prozent pro Jahr.
Während Satellitendaten lediglich eine jährliche Zunahme von zwei Prozent messen, ergaben Bürgerwissenschaftsprojekte mit über 50.000 Teilnehmern deutlich höhere Werte. Der Unterschied erklärt sich dadurch, dass Satelliten nur direkt nach oben strahlendes Licht messen, nicht aber das seitlich einfallende Streulicht.
Lichtverschmutzungskarte: Die hellsten Regionen
Deutschland gehört zu den stark lichtverschmutzten Ländern und liegt unter den 20 OECD-Staaten auf Platz sechs mit steigender Tendenz. Die dunkelsten Orte in Deutschland befinden sich in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen – dort entspricht der Nachthimmel einem „guten Landhimmel“ (Klasse 3 auf der Bortle-Skala), wo die Milchstraße noch gut sichtbar ist.
Im Gegensatz dazu leuchten unsere Städte inzwischen bis zu 4.000 Mal heller als das natürliche Nachtlicht. Darüber hinaus nimmt der Flächenanteil mit natürlicher Dunkelheit stetig ab – in der Schweiz beispielsweise von 28 Prozent im Jahr 1994 auf nur noch 18 Prozent im Jahr 2009.
Folgen für die menschliche Gesundheit
Künstliches Licht in der Nacht stört nicht nur den Sternenhimmel, sondern beeinträchtigt auch massiv unsere Gesundheit. Mediziner und Forscher bezeichnen die Lichtverschmutzung inzwischen als „ebenso wichtiges Umweltthema wie den Klimawandel“.
Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus
Der menschliche Schlaf-Wach-Rhythmus wird wesentlich durch das natürliche Tageslicht bestimmt. Künstliches Licht in der Nacht – besonders solches mit hohem Blauanteil – stört diesen Rhythmus erheblich, indem es unserem Körper vorgaukelt, es sei noch Tag. Diese Störung der inneren Uhr führt zu konkreten Gesundheitsproblemen: Eine Studie mit fast 16.000 Menschen zeigte, dass Personen in Regionen mit erhöhter nächtlicher Lichtbelastung unter verzögerter Schlafens- und Aufwachzeit, kürzerer Schlafdauer und erhöhter Tagesmüdigkeit leiden.
Melatonin-Produktion und Krebsrisiko
Besonders problematisch: Nur in Dunkelheit produziert der Körper ausreichend Melatonin, das sogenannte „Schlafhormon“. Dieses Hormon ist nicht nur für den gesunden Schlaf, sondern auch für zahlreiche andere Körperfunktionen wichtig. Bei reduzierter Melatoninproduktion steigt der Östrogenspiegel im Körper, was das Brustkrebsrisiko erhöht.
Tatsächlich zeigen Studien, dass Nachtschwestern und Schichtarbeiterinnen deutlich häufiger an Brustkrebs erkranken als der Rest der Bevölkerung. Diese Zusammenhänge waren so überzeugend, dass die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) bereits 2007 Schichtarbeit mit Störung des Tag-Nacht-Rhythmus als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ einstufte.
Psychologische Auswirkungen der fehlenden Dunkelheit
Darüber hinaus gibt es zunehmend Hinweise auf psychologische Folgen der Lichtverschmutzung. Experimentelle Studien mit Hamstern zeigten, dass bereits schwaches Schummerlicht in der Nacht nach nur vier Wochen zu Depressionen führen kann. Die Tiere wurden weniger aktiv und ihr Hirnstoffwechsel veränderte sich ähnlich wie bei Menschen mit schweren Depressionen.
Überraschenderweise normalisierten sich diese Veränderungen wieder, wenn die natürliche Dunkelheit zurückkehrte. Neben Depressionen werden auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Fettleibigkeit mit chronischem Schlafentzug durch Lichtverschmutzung in Verbindung gebracht.
Auswirkungen auf die Tierwelt
Mehr als 60% aller Lebewesen sind nachtaktiv und leiden direkt unter künstlichem Licht. Die Lichtverschmutzung verändert ihre natürlichen Verhaltensweisen dramatisch und bedroht ganze Ökosysteme.
Insekten im Lichtchaos: Vom Anlocken zum Sterben
Nachtaktive Insekten werden von Lichtquellen regelrecht angezogen und in eine tödliche Falle gelockt. Allein an deutschen Straßenlaternen sterben während eines Sommers 100 Milliarden Insekten. Sie umkreisen die Lichtquellen bis zur völligen Erschöpfung, verbrennen oder fallen angelockten Fressfeinden zum Opfer. Besonders alarmierend: Die Biomasse fliegender Insekten ist in den letzten drei Jahrzehnten um fast 80% zurückgegangen. Forscher bezeichnen diesen Effekt als „Staubsaugereffekt“.
Darüber hinaus wirkt sich Lichtverschmutzung direkt auf die Bestäubungsleistung aus. Eine Schweizer Studie belegt, dass sich die Bestäubung von Wiesenpflanzen in der Nähe von Straßenlaternen um fast zwei Drittel reduziert. Da 90% aller Schmetterlingsarten in Deutschland nachtaktiv sind, hat dies weitreichende Folgen für unser gesamtes Ökosystem.
Vögel verlieren ihre Orientierung
Künstliches Licht stört bei Vögeln den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus erheblich. Amseln in stark beleuchteten Gebieten beginnen morgens bis zu drei Stunden früher zu singen als ihre Artgenossen in dunkleren Bereichen. Außerdem brüten viele Vogelarten durch Lichtverschmutzung zu früh, wenn noch nicht ausreichend Nahrung für den Nachwuchs verfügbar ist.
Besonders gefährdet sind allerdings Zugvögel, von denen etwa zwei Drittel nachts ziehen. Sie orientieren sich am Erdmagnetfeld und an den Sternen. Durch künstliches Licht werden sie desorientiert, kreisen stundenlang um Lichtglocken und verlieren wertvolle Energie. Tatsächlich kommt es durch diese Desorientierung zu massenhaften tödlichen Kollisionen mit Hindernissen.
Wie Fledermäuse und Amphibien leiden
Alle 22 Fledermausarten in Deutschland stehen inzwischen auf der „Roten Liste“ der vom Aussterben bedrohten Arten. Fledermäuse reagieren unterschiedlich auf künstliches Licht: Während einige Arten wie die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) kurzfristig von der Insektenkonzentration um Lichtquellen profitieren können, meiden lichtempfindliche Arten wie das Braune Langohr (Plecotus auritus) beleuchtete Gebiete komplett.
Straßenlaternen und beleuchtete Gebäudefassaden wirken für Fledermäuse wie unüberwindbare Barrieren und fragmentieren ihren Lebensraum. Besonders problematisch ist Licht in der Nähe ihrer Quartiere – je heller und blauanteiliger, desto stärker die negativen Reaktionen. Sie verlassen entweder diese Schlafplätze oder fliegen verspätet oder gar nicht mehr aus. Im schlimmsten Fall bedeutet Licht innerhalb eines Fledermausquartiers den Tod der gesamten Population.
Bedrohte Artenvielfalt durch künstliches Licht
Künstliches Licht zerschneidet Lebensräume und wirkt für zahlreiche Tiere wie eine unüberwindbare Barriere. Diese Fragmentierung der natürlichen Umgebung bedroht aktuell die Artenvielfalt in einem bisher unterschätzten Ausmaß.
Das Massensterben der Insekten
Die Biomasse fliegender Insekten ist in den letzten Jahrzehnten um mehr als 75 Prozent zurückgegangen. Forscher haben festgestellt, dass Lichtverschmutzung hierbei ein maßgeblicher Faktor ist. An einer einzelnen Straßenlaterne sterben während einer Sommernacht etwa 150 Insekten. Hochgerechnet auf die rund 8-9 Millionen Straßenlaternen in Deutschland werden dadurch Unmengen von Insekten dem natürlichen Kreislauf entzogen.
Dieser „Staubsaugereffekt“, wie Wissenschaftler ihn nennen, hat direkte Folgen für das gesamte Ökosystem. Besonders alarmierende Forschungsergebnisse zeigen, dass auf beleuchteten Flächen die Besuche von Nachtbestäubern um 62 Prozent niedriger liegen, was zu deutlich geringerer Samenproduktion führt.
Fortpflanzungsprobleme bei Wildtieren
Künstliches Licht beeinträchtigt massiv die Fortpflanzung vieler Arten. Glühwürmchen-Weibchen können beispielsweise unter oder in der Nähe von Lampen ihre Leuchtsignale abgeben, aber keine Männchen anlocken – diese meiden beleuchtete Areale oder nehmen das Signal nicht wahr.
Feldhamster erleben durch Lichtverschmutzung eine Verschiebung ihrer Fortpflanzungszeit um bis zu zweieinhalb Monate. Statt 20 bis 25 Jungtieren zieht ein Feldhamsterweibchen heute nur noch etwa fünf groß. Bei Nachtfaltern wurde nachgewiesen, dass die Paarungsaktivität in der Nähe von Lichtquellen drastisch abnimmt. Darüber hinaus können Lichtbarrieren verhindern, dass Tiere überhaupt zum Partner gelangen.
Veränderte Jagd- und Fressverhalten
Die natürlichen Räuber-Beute-Beziehungen geraten durch künstliches Licht aus dem Gleichgewicht. Während einige lichttolerante Arten von künstlichem Nachtlicht profitieren, werden lichtempfindliche Arten verdrängt. Dadurch kommt es zur schleichenden Artenverschiebung innerhalb der Lebensgemeinschaften. Untersuchungen an Fledermäusen zeigen, wie drastisch sich das Nahrungsspektrum verändern kann:
Während die Mahlzeiten der Tiere in dunklen Jagdrevieren weniger als sechs Prozent Nachtfalter enthielten, stieg dieser Anteil in künstlich erleuchteten Lebensräumen auf das Sechsfache. Auch bei Fischen wird durch künstliches Licht das Wander- und Fressverhalten beeinflusst, da die Melatonin-Produktion bereits bei geringer Beleuchtungsstärke fast vollständig unterdrückt wird.
Ökologische Konsequenzen
Die nächtliche Aufhellung durch künstliches Licht verändert grundlegende ökologische Prozesse, die seit Jahrmillionen im Rhythmus der natürlichen Dunkelheit ablaufen. Forscher haben festgestellt, dass bereits geringe Beleuchtungsstärken – weniger als bei einem Vollmond – tiefgreifende Auswirkungen auf ganze Ökosysteme haben können.
Pflanzen im künstlichen Tag-Nacht-Wechsel
Pflanzen verwenden Licht nicht nur für die Photosynthese, sondern auch als Zeitgeber für wichtige Entwicklungsprozesse. Untersuchungen an Stadtbäumen zeigen deutlich, dass künstliches Licht zu verfrühtem Laubaustrich und späterem Laubabwurf führt.
Diese künstliche Verlängerung der Vegetationsperiode bedeutet für Bäume einen erheblichen Mehraufwand an Energie, der langfristig zu Erschöpfungszuständen führen kann. Außerdem macht sie die Pflanzen anfälliger für Frost- und Hitzeschäden.
Bei Wiesenblumen in beleuchteten Gebieten wurde eine Blühhemmung nachgewiesen. Die Pflanzen bilden weniger und später Blüten aus, was zu einer verminderten Samenbildung und dadurch zu einem Fortpflanzungsnachteil führt.
Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Experimente, dass sich sogar die Struktur von Pflanzen bei Dauerbeleuchtung verändern kann. Dies hat wiederum Folgen für Insekten, deren Larven diese als Futterpflanzen nutzen: Sie wachsen langsamer und weisen bei der Verpuppung ein geringeres Gewicht auf.
Störung ganzer Ökosysteme
Aktuelle Studien belegen, dass durch nächtliche Beleuchtung die Zusammensetzung von Mottengemeinschaften und Bodenorganismen verändert wird. Noch alarmierender: Die Diversität verschiedener Gräser, Kräuter und Hülsenfrüchte nimmt durch künstliches Licht um 43 Prozent ab, ihre Biomasse sogar um 33 Prozent.
Künstliche Beleuchtung wirkt sich gleichermaßen auf die Bodenqualität aus. Forschende beobachteten, dass der Wassergehalt im Boden sowie die Zahl der Stoffwechselprozesse durch Lichtverschmutzung verringert werden. Diese Veränderungen beeinflussen wiederum die Nahrungsketten und komplexe ökologische Netzwerke.
Ein weiteres Problem: Tag- und dämmerungsaktive Arten bleiben durch fehlende Dunkelheitssignale länger aktiv, wodurch Konkurrenzbeziehungen entstehen können, die natürlicherweise nicht existieren würden. Dies kann letztlich zum Aussterben einiger Konkurrenten führen.
Energieverschwendung und Klimafolgen
Neben den ökologischen Auswirkungen ist Lichtverschmutzung auch ein Klimathema. Tatsächlich wird weltweit etwa ein Drittel des Lichts der Straßenbeleuchtung seitlich und nach oben abgestrahlt und geht damit völlig nutzlos verloren. Rechnet man die unnötige Beleuchtung von Werbung, Industrie und Gebäuden hinzu, entspricht dies allein in Deutschland mehreren Millionen Tonnen CO₂ jährlich.
Eine flächendeckende Einführung kommunaler Lichtmanagementkonzepte könnte hier Abhilfe schaffen. Moderne energiesparende Beleuchtungssysteme können gleichzeitig ökologisch verträglicher und energieeffizienter sein. Allerdings ist das planlose Umrüsten auf LED-Technik nicht automatisch naturfreundlich – besonders dann nicht, wenn dabei das Beleuchtungsniveau erhöht wird oder Lampen mit hohem Blauanteil zum Einsatz kommen.
Lösungsansätze für weniger Lichtverschmutzung
Im Gegensatz zu vielen anderen Umweltproblemen lässt sich Lichtverschmutzung vergleichsweise einfach eindämmen. Die Umsetzung gezielter Maßnahmen kann sowohl die Umwelt schützen als auch Energie und Kosten sparen.
Intelligente Beleuchtungskonzepte
Moderne Smart-Lighting-Technologien reduzieren Lichtverschmutzung erheblich und senken gleichzeitig den Energieverbrauch um bis zu 80%. Besonders wirksam sind bedarfsorientierte Beleuchtungssysteme mit Bewegungsmeldern, die Licht nur dann aktivieren, wenn es tatsächlich benötigt wird. Eine zeitgesteuerte Dimmung zwischen 22:00 und 5:00 Uhr kann die Lichtstärke um 50-70% verringern, wodurch nicht nur Energie gespart, sondern auch der Insektenschutz gefördert wird.
Richtungsgebundene Beleuchtung ist dabei entscheidend: Leuchten sollten das Licht ausschließlich nach unten abstrahlen und nicht in den Nachthimmel. Full-Cut-off-Leuchten, die kein Licht nach oben abgeben, verringern die Lichtverschmutzung deutlich und verbessern die Lebensqualität der Anwohner.
Technische Lösungen für Privathaushalte
Bei Außenbeleuchtungen sollten Hausbesitzer auf niedrige Farbtemperaturen achten. Experten empfehlen maximal 2700 Kelvin, in Naturschutzgebieten sogar nur 2400 Kelvin. Wärmeres, gelblich-orange getöntes Licht (1700-2200 K) reduziert die Anlockwirkung auf Insekten erheblich.
Für Privatbeleuchtungen gilt: Weniger ist mehr. Ungeschirmte Lichtquellen sollten maximal 500 Lumen, geschirmte maximal 800 Lumen haben. Bei Bewegungsmeldern sollten die kürzestmöglichen Schaltzeiten (1-2 Minuten) eingestellt werden.
Kommunale Maßnahmen und Vorbilder
Einige Gemeinden in Deutschland haben bereits vorbildliche Beleuchtungskonzepte entwickelt. Die Stadt Fulda wurde 2019 als erste „Sternenstadt“ Europas ausgezeichnet. Kommunale Lichtmanagementsysteme wie im Modellprojekt Smart Cities Hannover sorgen für tageszeitabhängigen Lichtfarbwechsel und insektenfreundliche Beleuchtung.
Die Entwicklung eines übergreifenden Beleuchtungskonzepts für die gesamte Kommune ist besonders wirkungsvoll. Dabei können Gemeinden durch Bebauungspläne rechtlich abgesicherte Regelungen zur Außenbeleuchtung festlegen.
Gesetzliche Regelungen in Deutschland
In Deutschland wurde 2021 das Bundesnaturschutzgesetz um Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtimmissionen erweitert (§41a BNatSchG). Allerdings muss noch eine Rechtsverordnung ausgearbeitet werden, um das Gesetz umzusetzen.
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) stuft Lichtverschmutzung als schädliche Umwelteinwirkung ein, wenn sie Gefahren oder erhebliche Belästigungen verursacht. Bayern hat 2019 als erstes Bundesland Vorschriften zur Lichtemission in sein Immissionsschutzgesetz aufgenommen, wonach öffentliche Gebäude von 23 Uhr bis zur Morgendämmerung nicht mehr beleuchtet werden dürfen.
Sternenparks und Schutzinitiativen
Inmitten der zunehmenden Lichtverschmutzung entstehen weltweit besondere Schutzgebiete, die den natürlichen Nachthimmel bewahren. Diese Initiativen bieten nicht nur faszinierende Einblicke in den Sternenhimmel, sondern schützen gleichzeitig wertvolle Ökosysteme.
Was sind Sternenparks?
Sternenparks sind ausgezeichnete Lichtschutzgebiete, in denen die natürliche Dunkelheit der Nacht geschützt wird. Die International Dark-Sky Association (IDA), gegründet 1988, zertifiziert diese Gebiete nach strengen Kriterien. Tatsächlich gibt es weltweit weniger als 40 solcher anerkannten Regionen. Die Ziele eines Sternenparks sind vielfältig: Sie schützen die menschliche Gesundheit durch besseren Schlaf, bewahren nachtaktive Tier- und Pflanzenwelten, sparen Energie und fördern einen nachhaltigen Naturtourismus.
Erfolgreiche Projekte in Deutschland
Deutschland beherbergt mittlerweile vier von der IDA zertifizierte Sternenparks. Der Naturpark Westhavelland in Brandenburg wurde 2014 als erster deutscher Sternenpark anerkannt und zählt zu den dunkelsten Orten Deutschlands – vergleichbar mit der Wüste in Namibia. Im selben Jahr erhielt auch der Nationalpark Eifel in Nordrhein-Westfalen diesen Status. Darüber hinaus sind das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön im Dreiländereck Thüringen, Hessen und Bayern sowie die Winklmoos-Alm bei Reit im Winkl als Sternenparks ausgewiesen.
In der Rhön haben sich beispielsweise die Gemeinden darauf geeinigt, bei Neuinstallierungen von Straßenbeleuchtung den Empfehlungen der Fachgruppe Dark Sky zu folgen und warmweißes Licht mit maximal 3.000 Kelvin zu verwenden.
Internationale Bemühungen zum Schutz der Nacht
Zahlreiche internationale Organisationen setzen sich für den Schutz der Nacht ein. Neben der IDA engagiert sich die „Starlight Initiative“ mit ihrer 2007 verfassten „Starlight-Declaration“, die ein unveräußerliches Recht auf Sternlicht fordert. Gleichzeitig arbeiten Organisationen wie „The Fatal Light Awareness Program“ (FLAP) daran, die Lichtglocken über Städten besonders während des Vogelzuges zu reduzieren.
Bemerkenswert ist außerdem der Interdisziplinäre Forschungsverbund Lichtverschmutzung, der Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zusammenbringt, um das Problem Lichtverschmutzung ganzheitlich zu erforschen und Lösungen zu entwickeln.
F.A.Q. – Lichtverschmutzung
Was ist Lichtverschmutzung?
Lichtverschmutzung bezeichnet die übermäßige oder falsch ausgerichtete künstliche Beleuchtung, die den natürlichen Nachthimmel aufhellt. Sie betrifft über 80 % der Weltbevölkerung und in Europa sogar über 99 % der Menschen, indem sie die Sicht auf Sterne einschränkt und Ökosysteme sowie die Gesundheit beeinträchtigt.
Wie hat sich die Lichtverschmutzung historisch entwickelt?
Die nächtliche Beleuchtung begann im 19. Jahrhundert mit Gaslaternen (z. B. 1826 in Berlin) und wurde mit der Elektrizität Ende des 19. Jahrhunderts intensiver. Später folgten Quecksilberdampf- und Natriumdampflampen, bis hin zur modernen LED-Technologie ab 2009. Seitdem hat sich die beleuchtete Fläche global stark vergrößert, z. B. um 9,1 % zwischen 2012 und 2016.
Wie stark ist Deutschland von Lichtverschmutzung betroffen?
Deutschland gehört zu den stark lichtverschmutzten Ländern und liegt unter den OECD-Staaten auf Platz sechs. Die Helligkeit des Nachthimmels nimmt hier jährlich um etwa 6 % zu, in manchen Bundesländern sogar um 3–4 %. Städte leuchten bis zu 4.000 Mal heller als natürliches Nachtlicht, während dunkle Orte wie in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern selten werden.
Welche gesundheitlichen Folgen hat Lichtverschmutzung für den Menschen?
Künstliches Licht stört den Schlaf-Wach-Rhythmus, reduziert die Melatoninproduktion (Schlafhormon) und erhöht das Risiko für Brustkrebs, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Fettleibigkeit. Studien zeigen, dass Menschen in hellen Regionen kürzer schlafen und müder sind.
Wie beeinflusst Lichtverschmutzung die Tierwelt?
Über 60 % der nachtaktiven Lebewesen sind betroffen. Insekten sterben massenhaft an Straßenlaternen (in Deutschland über 100 Milliarden pro Sommer), Zugvögel verlieren ihre Orientierung, Fledermäuse meiden beleuchtete Gebiete, und die Bestäubung von Pflanzen nimmt ab, was das Ökosystem gefährdet.
Warum sterben so viele Insekten durch Lichtverschmutzung?
Nachtaktive Insekten werden von Lichtquellen angelockt, umkreisen sie bis zur Erschöpfung, verbrennen oder werden gefressen. An einer Straßenlaterne sterben pro Sommernacht etwa 150 Insekten, was bei 8–9 Millionen Laternen in Deutschland zu enormen Verlusten führt („Staubsaugereffekt“).
Welche ökologischen Folgen hat Lichtverschmutzung?
Sie verändert Pflanzenzyklen (z. B. verfrühter Laubaustrich), reduziert die Artenvielfalt (z. B. um 43 % bei Gräsern) und stört Nahrungsketten. Selbst Bodenqualität und Stoffwechselprozesse im Boden leiden unter künstlichem Licht.
Wie trägt Lichtverschmutzung zum Klimawandel bei?
Etwa ein Drittel des Lichts von Straßenlaternen geht nutzlos nach oben oder seitlich verloren, was in Deutschland Millionen Tonnen CO₂ jährlich verursacht. Unnötige Beleuchtung von Werbung oder Gebäuden verschärft das Problem zusätzlich.
Welche Lösungen gibt es gegen Lichtverschmutzung?
Intelligente Beleuchtung: Bewegungsmelder, Dimmung (z. B. 50–70 % weniger Licht nachts) und abgeschirmte Leuchten (Full-Cut-off).
Privathaushalte: Warmes Licht (max. 2700 Kelvin), geringe Helligkeit (max. 500–800 Lumen), kurze Schaltzeiten.
Kommunale Maßnahmen: Lichtmanagementkonzepte wie in Fulda („Sternenstadt“) oder Hannover.
Gesetzgebung: Das Bundesnaturschutzgesetz (2021) und Bayerns Immissionsschutzgesetz schränken Lichtemissionen ein.
Was sind Sternenparks und wie helfen sie?
Sternenparks sind Lichtschutzgebiete, die natürliche Dunkelheit bewahren, z. B. Westhavelland oder Eifel in Deutschland. Sie fördern Gesundheit, Artenvielfalt und Naturtourismus, indem sie strenge Beleuchtungsregeln (z. B. max. 3000 Kelvin) umsetzen.
Wie kann ich persönlich helfen, Lichtverschmutzung zu reduzieren?
Nutzen Sie warmweißes, schwaches Licht, schirmen Sie Lampen ab, schalten Sie unnötige Beleuchtung aus und setzen Sie Bewegungsmelder ein. Jede kleine Maßnahme trägt dazu bei, den Nachthimmel und die Natur zu schützen.
Warum ist es wichtig, jetzt zu handeln?
Die Lichtverschmutzung wächst in Europa um 6,5 % pro Jahr und verschärft Gesundheits- und Umweltprobleme. Da sie leicht reduzierbar ist, sollten verfügbare Lösungen sofort umgesetzt werden, um den Nachthimmel und Ökosysteme für die Zukunft zu erhalten.
Fazit: Gemeinsam für dunklere Nächte
Zusammenfassend stellt Lichtverschmutzung eine der am schnellsten wachsenden Umweltbedrohungen dar, die sowohl Menschen als auch Tiere und Pflanzen massiv beeinträchtigt. Tatsächlich zeigen aktuelle Forschungsergebnisse, dass die nächtliche Aufhellung in Europa jährlich um 6,5 Prozent zunimmt – deutlich schneller als bisher angenommen.
Die gute Nachricht: Lichtverschmutzung lässt sich durch intelligente Beleuchtungskonzepte, moderne Technologien und gezielte Schutzmaßnahmen wirksam eindämmen. Sternenparks und kommunale Lichtmanagementkonzepte beweisen bereits, dass der Schutz der natürlichen Dunkelheit möglich ist, ohne auf notwendige Beleuchtung verzichten zu müssen.
Dennoch braucht es mehr Engagement auf allen Ebenen – von Privatpersonen über Kommunen bis hin zur Gesetzgebung. Die Zeit drängt, denn mit jedem Jahr der Untätigkeit verschärfen sich die Folgen für unsere Gesundheit und das empfindliche Gleichgewicht der Natur. Deshalb sollten wir die verfügbaren Lösungen jetzt konsequent umsetzen, um den natürlichen Nachthimmel für kommende Generationen zu bewahren.
Quellenübersicht
Bundesnaturschutzgesetz (2021).§41a BNatSchG: Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtimmissionen. Erwähnt in: https://lnv-bw.de/lichtverschmutzung-ein-unterschaetztes-umweltproblem/.
DarkSky International (2017).Five Years of Satellite Images Show Global Light Pollution Increasing at a Rate of Two Percent Per Year. Abrufbar unter: https://darksky.org/news/five-years-of-satellite-images-show-global-light-pollution-increasing-at-a-rate-of-two-percent-per-year/.
DarkSky International (2023).Artificial Light at Night: State of the Science 2023 Report. Abrufbar unter: https://darksky.org/news/artificial-light-at-night-state-of-the-science-2023-report/.
Deutscher Bundestag (2020).TAB-Bericht Nr. 186: Lichtverschmutzung – Ausmaß, gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen. Abrufbar unter: https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2020_09/794706-794706.
Deutsches Geoforschungszentrum GFZ (2017).Zunahme der Lichtverschmutzung. Abrufbar unter: https://www.gfz-potsdam.de/presse/meldungen/detailansicht/zunahme-der-lichtverschmutzung/.
Falchi, F. et al. (2016). „The new world atlas of artificial night sky brightness.“ Science Advances. Zusammenfassung abrufbar unter: https://www.bbc.com/news/science-environment-36492596.
Hallmann, C. A. et al. (2017). „More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas.“ PLOS ONE. Zusammenfassung abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/lichtverschmutzung-schadet-aktion-earth-night-100.html.
Interreg North Sea (2023).Future Brief: Light Pollution – Mitigation Measures for Environmental Protection. Abrufbar unter: https://www.interregnorthsea.eu/sites/default/files/2023-12/FUTURE%20BRIEF%20Light%20Pollution%20-%20Mitigation%20measures%20for%20environmental%20protection_compressed.pdf.
International Agency for Research on Cancer (2007).Shift-work that involves circadian disruption. Erwähnt in: https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/2023/default-34fee72b1e-2/zunehmende-lichtverschmutzung-schadet-der-gesundheit/.
Kyba, C. C. M. et al. (2023). „Light pollution is skyrocketing.“ Science. Abrufbar unter: https://www.researchgate.net/publication/371871678_Light_pollution_is_skyrocketing.